KONRAD ZUSE ERFAND VOR 74 JAHREN DEN ERSTEN COMPUTER DER WELT

 

GROß WIE ZWEI KLEIDERSCHRÄNKE, KLAPPRIG WIE EINE RIESIGE SCHREIBMASCHINE

 

von Christoph Hühnergarth

 

Genau in diesem Moment liest Du einen Text, indem du auf den Bildschirm deines Computers schaust. Doch wer genau hat eigentlich den ersten Computer erfunden? Wer hat die Grundlagen dafür geschaffen, dass mittlerweile fast jeder solch eine "elektronische Rechenkiste" zu Hause hat? Die Antwort: Der Deutsche Konrad Zuse, der 1936 den ersten mechanisch-elektrischen Rechner der Welt entwickelte. Dem Maschinenbau-, Künstler-, und Erfinder-Genie Zuse blieb allerdings zu Lebzeiten verdienter Ruhm und Anerkennung seiner bahnbrechenden Leistungen verwehrt. Deshalb solle ihm nun - er wäre am 22. Juni einhundert Jahre alt geworden - besonders gedacht werden, sagt sein Sohn Horst Zuse.

 

Den Verstand und die Leidenschaft für Technik hat Horst Zuse von seinem Vater Konrad geerbt. Vor kurzem hat er den Nachbau eines der frühesten Projekte seines Vaters vollendet, den Z3-Computer von 1941, der die Maße zweier großer Kleiderschränke hat. Für das Münchner Technikmuseum baute Horst Zuse die Z3, die als erster funktionsfähiger Computer überhaupt gilt, nach und staunt über die Erfindergabe seines Vaters: "Das ist eine geniale Architektur für eine Maschine!"

 

Viel genutzt hat das Konrad Zuse allerdings nicht. Seine beiden Rechenmaschinen Z1 und Z3 hatten fast alles, was ein moderner Computer braucht, brachten aber ihrem Erfinder damals weder viel Anerkennung noch Geld. 1936 baute Zuse in seiner Berliner Wohnung im Alter von 26 Jahren die Z1 zusammen, ein mechanisches und laut klapperndes Rechenwerk, das jedoch wegen mechanischer Probleme noch unzuverlässig war: Die mechanischen Schaltglieder verhakten sich im Betrieb. Die Z3 von 1941 war schon ausgereifter: Es war der erste funktionsfähige, programmierbare Rechner der Welt.

 

Dennoch ist Konrad Zuse kein reicher Mann geworden. Anders als zum Beispiel die amerikanischen Milliardäre Bill Gates oder Steve Jobs von den weltbekannten Computerfirmen Microsoft und Apple hat Konrad Zuse in den 1940er Jahren keine Möglichkeit gehabt, seine Erfindungen zu vermarkten (das heißt öffentlich vielen Leuten zum Verkauf anzubieten). Zuse lebte im von den Nationalsozialisten regierten Deutschland zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, wogegen Bill Gates mit der 1975 gegründeten Computerfirma Microsoft zu einem der weltweit bekanntesten und reichsten Männer der Welt wurde. Steve Jobs, der Gründer der Firma Apple, machte seit 1976 ebenfalls mehrere Milliarden Euro.

 

Hätte Zuse ähnliche Chancen bei der Vermarktung seiner Computer-Technologie gehabt, hätten seine Ideen womöglich auch seine persönliche Erfolgsgeschichte geschrieben. Doch als Konrad Zuse seine Z3 entwickelte, herrschte schon Krieg. Im Gegensatz zu Wissenschaftlern in den USA oder Großbritannien konnte sich Zuse in Deutschland keinem großen Unternehmen zur Weiterentwicklung seiner Technologie anschließen. Ebenso wenig konnte er seine Erfindungen weltweit bekannt machen, da sich Deutschland mit fast allen anderen wichtigen Industrieländern im Krieg befand - nur das deutsche Militär war sein Geldgeber, denn Zuses Technologie fanden die Militärs für Kriegszwecke hoch interessant.

 

 

"Ich bin zu faul zum Rechnen"

 

Konrad Zuse verdiente sein Geld noch immer als Ingenieur bei dem Berliner Flugzeugwerk Henschel. Nur nebenbei tüftelte er an den Computern. Weil er in seinem Beruf aufwendige und lang andauernde Berechnungen durchführen musste, hatte er ständig im Kopf, eine Maschine erfinden zu wollen, die ihm die lästige Arbeit abnehmen könnte: "Ich bin zu faul zum Rechnen", sagte Konrad Zuse humorvoll über seinen Antrieb, Rechenmaschinen entwickeln zu wollen.

 

Kreativität und Fantasie zeichneten Konrad Zuse genauso aus wie mathematisches und technisches Verständnis. Er studierte zunächst Maschinenbau, wechselte aber später zur Architektur, weil er dort sein Bedürfnis nach kreativer Gestaltung ausleben konnte. Seinen Abschluss machte er 1935 allerdings als Bauingenieur. Zuse war ein "Bau-Künstler", der seine Computer nicht nur als bloße Rechner, sondern auch als Kunstwerke sah. Die Künstlernatur Zuse war ein hoch begabter Jugendlicher: Seine Zeichnungen und Gemälde bildeten oft futuristische (das bedeutet zukunftsweisende) Ideen ab - ein Beleg dafür, dass er schon früh von seinen Erfindungen geträumt hat.

 

War Zuse in die Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickt?

 

Als "kriegswichtig" gesehen förderten die Nationalsozialisten Zuses Forschungen mit über 250.000 Reichsmark, was heute über einer Million Euro entspräche. Inwieweit Konrad Zuse die menschenverachtenden und verbrecherischen Auffassungen der Nationalsozialisten unterstützte, ist bis heute nicht ganz geklärt. Nach Ende des Krieges 1945 versuchte er, seine Vergangenheit als Forscher unter den Nationalsozialisten zu verharmlosen. Zuse war kein Mitglied in der nationalsozialistischen Partei. Tatsache ist aber, dass er in der Kriegsindustrie zum Beispiel am Bombenbau mithalf und mit dem Ausgang des Zweiten Weltkrieges - Deutschland verlor den Krieg – unzufrieden war.

 

Darüber hinaus regte er die Nationalsozialisten offensichtlich an, seine Rechner zur "systematischen Rassenforschung" zu verwenden. Gemäß der rassistischen Auffassung der Nationalsozialisten ist die "weiße Rasse", das heißt Menschen mit weißer Hautfarbe wie der größte Teil der Deutschen zu dieser Zeit, allen anderen Menschen mit anderer Hautfarbe und Abstammung von Grund auf überlegen. Zuse wollte seine Computer verkaufen, um diese rassistische und menschenfeindliche Haltung wissenschaftlich zu belegen, was aus heutiger Sicht natürlich undenkbar ist.

 

Die Z1 – ein "mechanisches Gehirn"

 

Ohne Konrad Zuses fragwürdiges Tun während der Zeit des Nationalsozialismus herunterspielen zu wollen waren seine Erfindungen für die Entwicklung der Computer-Technologie jedoch eindrucksvoll. In seinem Tagebuch schrieb er im Juni 1937: "Seit etwa einem Jahr beschäftige ich mich mit dem Gedanken des mechanischen Gehirns." Ergebnis seiner Fantasie war der 1938 fertig gestellte Rechner Z1, der erste mechanisch-elektrische Computer mit vielen Bestandteilen eines heutigen Computers: ein Ein- und Ausgabewerk, ein Rechenwerk, ein Speicherwerk und ein Programmwerk - all das besaß die Z1 schon damals! Die Z1 las Programme von einem gelochten Filmstreifen ab.

 

Die Z3 war der erste voll funktionsfähige Rechner und eine Weiterentwicklung der Z1. Wie jeder aktuelle Computer benutzte die Z3 für jeden Rechenschritt das binäre Zahlensystem, das jede Zahl als eine Kombination aus 0 oder 1 versteht. Anders als ein moderner Computer konnte die Z3 das Ergebnis eines Rechenschritts aber nicht blitzschnell auf einem Bildschirm darstellen, sondern musste ihr mechanisches Rechenwerk erst in Gang setzen.

 

Von einem Elektromotor wurde eine Taktwalze angetrieben, die viele einzelne mechanische, kugelschreibergroße Metallglieder in Bewegung setzte. Winzig kleine Elektrochips, wie sie heute in jedem Computer zu finden sind, gab es damals noch nicht. Deswegen sind die Z1 und die Z3 auch so groß wie zwei Kleiderschränke und so laut wie eine riesige klappernde Schreibmaschine. Eine Tastatur mit Lampenfeld bildete das Ergebnis des Rechenvorgangs schließlich ab. Das Gerät arbeitete während des Zweiten Weltkrieges, um Berechnungen im Bereich der Luftfahrt durchzuführen. 1944 wurde die Z3 in einem Bombenangriff zerstört. Erst Horst Zuse baute sie wieder auf.

 

Computer-Genie mit zu wenig Anerkennung

 

Konrad Zuse gründete 1949 eine Computerfirma, die aber nicht einmal zwanzig Jahre später Pleite ging. Er hatte einfach zu wenig Geld zur Verfügung, um zu investieren (das bedeutet zum Beispiel Geld für neues Material für neue Maschinen auszugeben). Aufgrund der Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit in Deutschland wurden Zuses Erfindungen oft nicht weltweit bekannt und dann von anderen schlichtweg woanders nochmals gemacht. Andere große Firmen, vor allem solche aus den USA, holten in Sachen Computern schnell mit Zuses kleiner Firma auf.

 

1967 übernahm der große deutsche Elektrokonzern Siemens Zuses kleine Firma. Somit starb nicht nur Zuses Firma, sondern auch das letzte direkte Vermächtnis seiner genialen Arbeit. Zuse selbst war traurig, dass er nicht mehr aus seinen Ideen machen konnte. Er nannte sich selbstironisch einen "verkannten Weltverbesserer". Obwohl er selbst die Computer-Technologie grundlegend erfunden hatte, machten andere sich damit einen größeren Namen und viel Geld. 1995 verstarb Konrad Zuse im Alter von 85 Jahren. In diesem Jahr versuchen sein Sohn Horst sowie verschiedene Museen die Verdienste Konrad Zuses weiter bekannt zu machen. (Quelle: helles-koepfchen.de – Bereich: Wissen – Technik)

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