WIE JUGENDLICHE DIE ERDERWÄRMUNG BEEINFLUSSEN
dpa (Deutsche Presse Agentur)
Viele Kinder und Jugendliche würden gerne einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Doch das ist gar nicht so einfach. Die 17-jährige Sybille Fuld macht für WELT ONLINE den Praxistest. Sie will herausfinden, wie umweltfreundlich sie wirklich handelt und wo sie noch versteckten Klimasünden erliegt.
Sybille Fuld kann ihre Familie manchmal nerven. Zum Beispiel im Supermarkt. „Ich sage meinen Eltern immer, sie sollen weniger Fleisch kaufen, auch wegen der Umwelt“, sagt sie. Die 17-Jährige aus Bad Homburg bemüht sich, klimafreundlich zu leben: Zur Schule fährt sie mit dem Fahrrad, sie schreibt auf Recyclingpapier.
Doch wir wollten herausfinden, wie umweltfreundlich Sybille wirklich ist und wo ihre versteckten Klimasünden sitzen. Für „Klima kinderleicht“ machte die Schülerin den Praxistest: Kann man als Mensch leben, ohne der Erde zu schaden? Das Ergebnis: Ganz ohne den Ausstoß des Treibhausgases CO2 (Kohlenstoffdioxid) zu verursachen, geht es kaum. Denn das würde heißen, auf viel Schönes zu verzichten. Aber man kann schon als Jugendlicher einiges tun, um das Klima zu schonen.
Elektronik und Internet: In Sybilles Zimmer steht neben dem Bett eine Musikanlage, auf dem Schreibtisch liegt das Handy. „Ein altes Modell, das früher meinem Opa gehört hat“, sagt sie verlegen. Für die Umwelt ist das gut. Bleibt ein Handy länger als nur ein oder zwei Jahre im Einsatz, fallen weniger Treibhausgase bei der Produktion neuer Geräte an. Ein weiteres Plus: Das Handy hat keine Strom fressenden Extrafunktionen wie Kamera oder MP3-Spieler.
Der Computer hängt an einer Mehrfachsteckdose, die sie ausschaltet, wenn der PC aus ist. Die Musikanlage dagegen läuft immer auf Stand-by-Betrieb. „Wenn ich den Stecker ziehen würde, wären alle Radiosender gelöscht“, erklärt sie. Ein Elektrogerät nicht richtig auszuschalten verbraucht aber viel Strom. Das schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Geldbeutel. Bei einer Hi-Fi-Anlage kostet das zum Beispiel 30 Euro pro Jahr. Ein Pluspunkt für Sybille ist, dass der Computer einen Flachbildschirm hat. Dieser braucht etwa drei Viertel weniger Strom als ein Röhrenbildschirm.
Was Sybille überrascht: Sogar beim Surfen im Internet kann man das Klima schonen. Eine Suchanfrage im Netz verbraucht so viel Strom wie eine Energiesparlampe, die eine Stunde leuchtet. Doch wer anstatt Google die Seite Forestle oder Znout benutzt, macht seine Suchanfrage CO2 -neutral oder schützt sogar den Regenwald. Das funktioniert, weil die Betreiber die Werbeeinnahmen für den Klimaschutz verwenden. Sybille hat sich Forestle nun als Startseite für ihren Internetbrowser eingerichtet. Jacob Bilabel von der Berliner Klimaschutzinitiative Thema 1, den wir als CO2-Experten für unseren Praxistest befragt haben, sagt, viel mehr Strom als eine Suchanfrage verbraucht das Anschauen eines YouTube-Films. „Das heißt aber nicht, dass man deshalb nie mehr auf YouTube gehen darf“, sagt Bilabel. Mehr bringt es, zu Hause auf einen Ökostromanbieter umstellen.
Klamotten und Shopping: Jeans und T-Shirt trägt unsere Testschülerin am liebsten. Sie legt nur wenig Wert darauf, immer die neueste Mode zu haben. „Ich ziehe auch oft Sachen von meiner älteren Schwester an, das stört mich nicht.“ Damit liegt sie aus Klimasicht genau richtig. Im Durchschnitt 40 Prozent der persönlichen Klimabilanz hängen vom Konsum ab, also zum Beispiel vom Klamottenkauf. Die Daumenregel: Modemarken, die auf Schnelllebigkeit setzen und mindestens viermal pro Jahr eine neue Kollektion auf den Markt bringen, sind in der Regel nicht auf Klimaschutz ausgelegt. Besser für die Umwelt ist es, seltener Kleidung zu kaufen und dafür hochwertige, die lange hält.
Klimacoach Bilabel empfiehlt Marken, die besonders auf CO2 -arme Herstellung achten. Dazu gehören Patagonia,Trigema oder der Versandhändler Otto. Möglichst gar nicht kaufen sollte man billige Produkte aus Plastik.
Schädlich fürs Klima sind übrigens auch Jeans – was Sybille erschreckt, denn in ihrem Kleiderschrank hängen sieben oder acht Paar. Der Grund ist, dass eine Jeans, bis sie bei uns im Laden liegt, im Schnitt schon 50.000 Kilometer gereist ist. Die Baumwolle wird in einem Land angebaut, in einem anderen weiterverarbeitet und gefärbt, in einem dritten vielleicht zur Hose zusammengenäht. Immerhin, sagt Sybille, seien ihre Jeans schon ein paar Jahre alt und immer noch in gutem Zustand.
Ernährung: Sybille ist Vegetarierin. Das ist gut fürs Klima, denn die Herstellung von Fleisch ist verantwortlich für fast drei Viertel aller Treibhausgase in der Landwirtschaft. Ein Kilo Fleisch verursacht zehn Mal so viele Gase wie ein Kilo Gemüse. Diskussionen gibt es in der Familie manchmal über die Tiefkühltruhe. Sybille selbst isst nie Tiefkühlpizza, sagt sie, ihr Vater und die Schwester schon. „Dabei verbraucht die Truhe viel Strom“, sagt Sybille.
Beim Einkaufen achtet Familie Fuld darauf, nicht zu viel Obst und Gemüse aus weit entfernten Ländern zu kaufen, zum Beispiel Mangos oder Ananas, und sich so gut es geht jahreszeitengerecht zu ernähren: „Ich würde zum Beispiel nicht im Juni Äpfel kaufen, weil die schon seit Monaten gelagert wurden. Stattdessen wachsen zu dieser Zeit bei uns ja die Erdbeeren“, sagt Sybille. Im Internet gibt es Tabellen, die zeigen, in welchen Monaten welches Obst und Gemüse wächst. Eine Alternative ist das „Klimakochbuch“ der BUNDjugend, das für jedes Rezept eine ungefähre CO2 -Angabe enthält.
Strom: Eine große Überraschung wartet hier auf Sybille. Sie schaltet die Heizung in ihrem Zimmer komplett aus, wenn sie ein paar Stunden nicht da ist. „Das spart doch Strom, oder?“, fragt sie. Klimacoach Bilabel erklärt, dass das nicht stimmt. „Besser ist es, konstant auf einer Temperatur zu heizen, am besten auf Stufe 2 oder 3. Denn das Aufheizen eines kalten Raums verbraucht extrem viel Strom.“
Ein anderer großer Stromfresser im Haushalt ist die Dusche. Klimaratgeber empfehlen, die Stoppuhr neben die Dusche zu legen und nicht länger als fünf Minuten zu brausen. „So lange dusche ich eh nicht, da wäre ich doch schon aufgeweicht“, sagt Sybille und lacht. Ob sie sich vorstellen kann, demnächst während des Einseifens den Hahn abzudrehen? Denn das soll pro Jahr etwa zehn Kilo CO2 -Einsparung bringen. „Ja, da denke ich mal drüber nach“, sagt sie zögerlich. Beim Shampookaufen will sie außerdem künftig darauf achten, ein Produkt auszuwählen, das schnell wieder aus den Haaren ausgespült wird. Denn 80 Prozent der CO2 -Bilanz eines Shampoos oder Duschgels gehen auf das Konto des Wasserverbrauchs. Sehr viel bringt es übrigens, sich einen Niedrigdruck-Brausekopf in die Dusche einzubauen. Man selbst merkt den Unterschied nicht, pro Jahr werden 230 Kilo CO2 eingespart.
Haustiere: Familie Fuld hat einen kleinen Kater, Freddy. Er schleicht sich gern in Sybilles Zimmer und verkriecht sich hinter dem Bett. Dass er schlecht für die Umwelt sein könnte, hätte Sybille nicht gedacht. Aber es stimmt. Ein neuseeländisches Ehepaar hat gerade ein Buch veröffentlicht („Time to Eat the Dog“), in dem erklärt wird, warum Haustiere dem Klima schaden. Durch das Futter, das sie fressen, wird demnach so viel CO2 freigesetzt wie bei einem Auto. Im Durchschnitt schadet eine Katze dem Klima so viel wie ein VW Golf.
Was Sybille von der Idee hält, ihren Kater abzuschaffen? „Nichts!“, sagt sie entrüstet. Das Buch ist auch nicht ganz ernst gemeint. Es geht, wie in unserem Praxistest, nur darum, zum Nachdenken anzuregen. Sybille sieht das genauso: „Leuten ein schlechtes Gewissen einzureden, bringt gar nichts. Besser ist, ihnen einfach zu zeigen, was man selbst für das Klima tun kann.“ (Quelle: AOL Nachrichten in Zusammenarbeit mit Welt Online - 29.11.09)