DIE GIFTIGE GEFAHR IN DEUTSCHEN KINDERZIMMERN
dpa (Deutsche Presse Agentur)
Rückruf von giftigem Spielzeug
Die Spielzeug-Hersteller bemühen sich zwar. Doch immer noch sind viele Produkte mit giftigen Schadstoffen belastet. Europaweit erfasste das Warnsystem Rapex 2009 allein 427 gefährliche Spielzeuge. Nun fordert die erste Politikerin in Deutschland einen verpflichtenden "Spielzeug-TÜV (Technischer Überwachungs-Verein)".
Eigentlich sind sich in der Welt der Spielwaren alle einig: Nichts ist so wichtig wie die Sicherheit von Kinderspielzeug. "Wir machen keine Kompromisse", sagt zum Beispiel Bryan Stockton, Vorstandschef von Mattel. Bei Lego heißt es, das Thema sei nicht verhandelbar. Und Stofftierhersteller Steiff hat für seine Produkte jüngst sogar ein Reinheitsgebot ins Leben gerufen – eine freiwillige Selbstverpflichtung, die weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht.
Doch allen schönen Beteuerungen zum Trotz: Was an Puppen, Bauklötzen und Plastikware so in die Kinderzimmer gelangt, hat manchmal das Potenzial zur Aufnahme in eine Gefahrengutliste. Giftige Chemikalien und Kleinteile, die sich lösen können, zu hohe Lautstärken und krebsauslösende Stoffe für Europa meldete 2009 das EU-Schnellwarnsystem Rapex gleich 472 gefährliche Spielzeuge.
Nun fordert die erste Politikerin eine TÜV-Pflicht für Kinderspielzeug – um krebserregende Schadstoffe aus Spielwaren zu verbannen. „Bisher kommt das Spielzeug völlig ungeprüft aus der Fabrik in den Laden, das muss aufhören“, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Astrid Schneider, der „Bild“-Zeitung.
„Laut EU (Europäische Union)-Spielzeugrichtlinie sind 1000 Mal mehr krebserregende Stoffe in Spielzeug erlaubt als in Autoreifen“, fügte sie hinzu. Schneider fordert einen „verpflichtenden 'Spielzeug-TÜV' und öffentliche Ekel-Listen für Spielzeuge, bei denen Beanstandungen festgestellt wurden“.
"Spielzeug ist heute so sicher wie nie zuvor. Eltern müssen sich keine Sorgen machen", sagt dagegen Volker Schmid, Geschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie (DVSI). Die entsprechenden Sicherheitsbestimmungen umfassen in Deutschland 450 Seiten, betont er. Vor 20 Jahren seien es nicht mal 80 gewesen.
Doch die schärferen Regularien scheinen wenig zu nützen: Verbraucherschützer fällen nach wie vor ein vernichtendes Urteil, wenn es um Qualität und Sicherheit von Kinderspielzeug geht. "Für Kinder ist und bleibt die Spielzeugwelt eine Gefahrenzone", stellen die Prüfer der Zeitschrift Ökotest in ihrer aktuellen Ausgabe fest. Insgesamt 20 Plastik-Spielzeuge hatte Ökotest auf chemische Belastungen geprüft. Vom Gummiball über Puppen und Figuren bis hin zum Hüpfseil haben die Tester die unterschiedlichsten Produkte durchleuchtet - und in fast allen bedenkliche Stoffe gefunden.
Gleich 17 Mal vergab Ökotest das Urteil "ungenügend". Die drei übrigen Produkte kamen auch nur auf die Note "mangelhaft". Neun Produkte hätten nach Ansicht der Prüfer erst gar nicht in den Handel kommen dürfen. Allerdings hätten sie von vornherein ganz bewusst "risikoorientiert" eingekauft, erklärten die Prüfer, und sich zum Beispiel auf "übel riechende Artikel oder Produkte aus Weich-PVC" konzentriert. Vor allem Billigprodukte fielen bei dem Test durch.
Doch auch namhafte Marken können betroffen sein. Das zeigte sich im Herbst 2007, als der US-Gigant Mattel gleich mehrere Spielzeuge wegen einer zu hohen Blei-Belastung und ablösbaren Kleinteilen zurückrufen musste, darunter Produkte von Fisher-Price und Polly Pocket. Der Schaden belief sich auf viele Millionen Dollar. Aber nicht nur deshalb will Vorstandschef Bryan Stockton, selbst Vater von vier Kindern, eine solche Situation nicht noch einmal durchmachen. "Das war eine richtig harte Zeit", erinnert er sich. "Wir haben gedacht, dass unser Sicherheitsmanagement schon gut ist", sagt Stockton. Nach dem Skandal habe er die Standards und die Zahl der Kontrollen aber nochmals erhöht.
Seither gab es keine neuen Sicherheitsprobleme mehr bei Mattel.
Zumal auch das Herstellerland China reagierte: Gut ein Drittel der Spielzeugfabriken im Land wurden von der Regierung kurzerhand geschlossen. Experten halten es aber für fraglich, ob die neue Spielzeugrichtlinie der EU, die ab Juli 2011 unter anderem neue Grenzwerte festlegt und mehr als 250 Inhaltsstoffe verbietet, tatsächlich Abhilfe schafft. (Quelle: AOL Nachrichten in Zusammenarbeit mit Welt Online - 8.2.10)