Neu-Isenburg - Sie ist vier Millimeter dick, zwölf Zentimeter lang und kann auf dutzende Arten gegessen werden: Meist begleitet von kühlen Getränken ist die Salzstange hierzulande der mutmaßlich am weitesten verbreitete Knabberartikel.
Die unscheinbare Stange aus Laugenteig hat ihren Siegeszug in Deutschland erst vor 75 Jahren angetreten. Nach Meinung des Marktführers Lorenz Bahlsen Snackworld aus Neu-Isenburg bei Frankfurt könnte es so ruhig weitergehen. Die Ernährungseigenschaften der kleinen Stangen sind aber umstritten.
Für Martina Thiel ist eine Salzstange nicht einfach eine Salzstange. Keine Einzelheit entgeht der Ingenieurin für Lebensmitteltechnik in ihrem Labor bei Lorenz: nicht die geschlossenen Enden, nicht die rehbraune Farbe, nicht die Verteilung der Salzkörner und auch nicht die dunklen Abdrucke der Gitterbänder aus dem Ofen auf der Rückseite der Stangen. "Der Erstbiss muss knusprig sein, und dann muss es weiter knuspern", formuliert sie ihren Anspruch an das ultimative Knabberwerk. Ständig laufen bei ihr Tests zum Vergleich mit der Konkurrenz oder zur Einführung neuer Produkte.
1935 hat Karl Bahlsen das Laugengebäck aus den USA eingeführt. Ein Stichtag, an dem die erste Salzstange in Deutschland gebacken wurde, ist nicht überliefert. Eine unüberschaubare Vielzahl von Knabberprodukten ist seitdem in die Supermarktregale gekommen. Dennoch glaubt der Lorenz-Chefentwickler Martin Ammann: "Die Salzstange bleibt das wichtigste Produkt beim Laugengebäck." Gerade hat er eine Vollkorn-Salzstange entwickelt. Vollkorn klingt zwar ziemlich spaßfrei, ist aber dennoch als Trend ausgemacht.
Profitiert hat die Salzstange in den vergangenen Jahren von ihrer geringeren Kalorienzahl im Vergleich zu Chips und Erdnussflips. Doch die Stiftung Warentest warnt: Das hoch erhitzte Hefegebäck hat zwar kaum Fett, aber immer noch rund 350 Kilokalorien pro 100 Gramm. Das sind zwar etwa 150 weniger als bei der Kartoffel-Mais-Konkurrenz, aber der hohe Anteil an weißem Mehl kann den Blutzuckerspiegel schnell in die Höhe treiben.
"Als Diät vor dem Fernseher würde ich Salzstangen nicht empfehlen", sagt der Gießener Ernährungswissenschaftler Michael Krawinkel. Ihm macht zusätzlich der hohe Gehalt von Kochsalz Sorgen, das man eigentlich sparsam verwenden solle. Bei modernen Essgewohnheiten nehme der Mensch ohnehin schon sehr viel Kochsalz zu sich. Ganz verdammen will er die Knabbereien aber auch nicht: Zu einem Glas Bier oder Wein könne man sie durchaus mal genießen.
Einen Beleg für die weit verbreitete Volksweisheit, dass Salzstangen zusammen mit Cola gegen Durchfall helfen, gebe es nicht, versichert der Mediziner. Allerdings könnten die salzigen Stangen zur Erholung des Mineralienhaushaltes beitragen.
Angaben zu Umsatz und Gewinn macht das aus dem früheren Bahlsen-Imperium hervorgegangene Familienunternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co KG traditionell nicht. Klar ist aber, dass die Fußball-WM dem Knabberspezialisten mit seinen europaweit rund 3000 Mitarbeitern ein nettes Zusatzgeschäft im Sommer gebracht hat. Denn geknabbert wird eigentlich mehr im Winter, weiß Entwickler Ammann. "Die Salzstange ist seit 75 Jahren kaum verändert worden. Sie ist ein Klassiker, den es wahrscheinlich auch in 75 Jahren noch so geben wird." (Quelle: Nordwest Zeitung - 11.7.10