von Daniela Mahr
Die mexikanische Malerin Frida Kahlo war schon zu Lebzeiten eine Legende. Heute, mehr als fünfzig Jahre nach ihrem Tod, ist sie längst zum Mythos geworden und zählt zu den herausragendsten Frauen der Kunstgeschichte. Ihr Leben, geprägt vom Kampf gegen körperliche Leiden und ihre Liebe zu dem berühmten Maler Diego Rivera, ist von ihrem Werk nicht zu trennen. Von ihren 143 Bildern sind 55 Selbstporträts, in denen sie ihr Leben und Leiden verarbeitet. Sie erkämpfte sich in der Malerei, in der fast alle berühmten Vertreter Männer waren, ihren Platz und wurde von ihnen bewundert
Frida Kahlo wurde am 6. Juli 1907 in Coyoacán - heute ein südlicher Stadtteil von Mexiko-Stadt - geboren. Ihr Geburts- und Sterbeort ist das berühmte "Blaue Haus", in dem sich heute das Frida-Kahlo-Museum befindet. Gebaut hatte es ihr Vater, der ursprünglich aus einer bürgerlichen deutschen Familie aus Pforzheim kam, jedoch mit 18 Jahren nach Mexiko auswanderte. Aus Carl Wilhelm wurde vier Jahre später Guillermo Kahlo, der 1898 die Tochter eines Fotografen heiratete.
Frida war ihr drittes Kind und wurde auf den Namen Magdalena Carmen Frieda Kahlo y Calderón getauft. Zu Cristina, ihrer elf Monate jüngeren Schwester, hatte Frida zeitlebens ein sehr enges und intensives Verhältnis. Als Ältere von beiden - und später auch Erfolgreichere - gab Frida in der geschwisterlichen Beziehung den Ton an. In der Schule interessierte sie sich zum einen für die Geisteswissenschaften (wie Geschichte, Literatur und Philosophie), aber vor allem für Anatomie (die Lehre vom Aufbau des menschlichen Körpers), Biologie und Zoologie. Ihr Wunsch war es, später Medizin zu studieren. Doch das Leben führte sie in eine andere Richtung.
Frida legte ihr Geburtsdatum später auf das Jahr 1910 - das Jahr, das als Beginn der "Mexikanischen Revolution" angesehen wurde. Diese bezeichnet eine politisch-gesellschaftliche Umbruchsphase Mexikos um 1910, in welcher die Gruppen des Revolutionärs Francisco Madero und die "zapatistische Bewegung", angeführt von Emilio Zapata, den umstrittenen Präsidenten und Diktator ("Zwangsherrscher") Porfírio Díaz stürzen wollten. Es kam zu blutigen Kämpfen und gesellschaftlichen Unruhen, die Mexiko bis in die 1920er Jahre verfolgten. Die Kämpfer wollten soziale Reformen durchsetzen, das heißt: mehr Rechte für die unterdrückten Arbeiter und lateinamerikanischen Ureinwohner. Die politisch engagierte Frida Kahlo legte großen Wert darauf, dass ihr Leben mit dem "neuen Mexiko" begonnen habe. Nach ihrer Rechnung wäre die Künstlerin also im Jahr 2010 100 Jahre alt geworden, eigentlich war ihr 100. Geburtstag jedoch am 6. Juli 2007.
Ein Unfall, der ihr Leben veränderte
Ihr Körper war stets - ob sie es wollte oder nicht - ein bedeutender Bestandteil in Fridas Leben. Bereits mit sechs Jahren erkrankte Frida an Kinderlähmung und hatte seitdem ein kürzeres rechtes Bein, was sie durch das Humpeln auffällig machte. Am 17. September 1925, kurz nach Fridas 18. Geburtstag, veränderte ein schwerer Unfall all ihre Pläne: Bei einem Busunglück bohrte sich eine Stahlstange durch ihr Becken, weshalb sie von diesem Moment ein Stahlkorsett oder einen Ganzkörpergips tragen musste und vorerst die meiste Zeit im Bett verbrachte.
Der harte Schicksalsschlag war für Frida dennoch kein Grund, sich aufzugeben. So sagte sie zu ihrer Mutter: "Ich bin nicht gestorben und außerdem habe ich etwas, wofür es sich zu leben lohnt." Um sie zu beschäftigen, brachte ihr Vater Frida eine Staffelei und Pinsel mit ins Krankenhaus - das Malen wurde für Frida nicht nur zu einer Leidenschaft, sondern auch zu einer Art Selbst-Therapie, in der sie ihr eigenes Leiden künstlerisch verarbeitete.
Das Motiv für ihre Bilder war vor allem sie selbst. Dazu ließ sie sich von ihrer Mutter ein Gestell mit einer Holztafel bauen, um daran das Papier zu befestigen, und einen Spiegel aufstellen, damit sie sich sehen konnte. Somit entstand ein Jahr nach ihrem Unfall das erste Selbstporträt Fridas: Das Selbstbildnis im Samtkleid. Obwohl zunächst niemand daran geglaubt hatte, lernte Frida allmählich wieder zu laufen. Dennoch hatte sie ihr ganzes Leben mit den körperlichen Folgen des schweren Unfalls zu kämpfen.
Frida und Diego
Bald machte Frida Kahlo die Bekanntschaft mit Diego Rivera, dem berühmten politischen Maler, der ihre Kunst verehrte. Die beiden heirateten 1929, Diego war zu diesem Zeitpunkt 43 Jahre alt. Neben der Liebe zur Malerei verband sie das politische Interesse: Nachdem Rivera 1929 aus der kommunistischen Partei Mexikos ausgeschlossen wurde, verließ auch Frida Kahlo die Partei. Die anti-kommunistische Welle um 1930 wurde für die beiden unerträglich, denn an ihrer politischen Einstellung hatte sich auch nach dem Ausschluss nichts verändert.
Das Paar nahm Aufträge in den USA an und verbrachte dort drei Jahre. Die Reisen innerhalb der Vereinigten Staaten bereicherten Kahlo sehr: Sie ging nach San Francisco und lernte dort bedeutende Künstler und Kunstliebhaber kennen, die sie als Mensch und als Künstlerin schätzten. Bereits nach einem Jahr wurde in San Francisco zum ersten Mal ein Bild von Frida Kahlo ausgestellt. Doch es war keines ihrer berühmten Selbstbildnisse, sondern ein Gemälde, auf dem sie an der Seite ihres Mannes, dem Künstler Diego Rivera, zu sehen ist. Ihre Beziehung wurde zunehmend getrübt von der ständigen Untreue Riveras, die Kahlo - wie alles Bewegende in ihrem Leben - in ihren Bildern verarbeitete. Als die Künstlerin jedoch im Sommer 1934 erfuhr, dass ihr Mann eine Affäre mit ihrer Schwester Cristina hatte, trennte sich das Paar.
Entscheidung für ein selbst bestimmtes Leben
Frida Kahlo und Diego Rivera trennten, stritten und versöhnten sich wieder. Doch nun war es Kahlo, die ihre Beziehung und ihr Leben selbst bestimmte. 1935 zog sie in eine Wohnung im Zentrum von Mexiko-Stadt und reist alleine mit einer Freundin nach New York. Frida Kahlo und vor allem ihr Ehemann waren große Anhänger von Leo Trotzki, einem kommunistischen Politiker und russischen Revolutionär, dem sie das "Blaue Haus" zunächst als Unterschlupf zur Verfügung stellten.
Die Malerin Kahlo gestattete sich nun auch ihre Abenteuer und begann ihre erste Affäre mit Trotzki, der zum engen Freund des Paares geworden war. In der Folgezeit ließ sich Frida Kahlo auf weitere Liebschaften ein, etwa mit dem Fotografen Nickolas Muray, der costaricanischen Sängerin Chavela Vargas und dem Deutschen Heinz Berggruen, der später ein bedeutender Kunstsammler wurde. 1936 gründete sie als Reaktion auf den Spanischen Bürgerkrieg, der im Juli des Jahres ausbrach, gemeinsam mit anderen Künstlern und Denkern ein "Solidaritätskomitee", um die Republik zu unterstützen. Ihr Erfolg als Künstlerin wuchs allmählich: Im darauf folgenden Jahr nahm sie an einer Gruppenausstellung in Mexiko-Stadt teil, wiederum ein Jahr später wurden 25 Bilder von Frida Kahlo in einer New Yorker Galerie ausgestellt.
Diego Rivera hatte die Affäre mit Trotzki nie verkraftet. Nach Auseinandersetzungen mit Trotzki trat Rivera 1939 aus der "Vierten Internationalen" aus - dem Parteiverbund, der aus Trotzkis politischem Kampf hervorging. Am 6. November 1939 ließ sich Rivera von seiner Frau scheiden. Die Künstlerin litt unter der Trennung und flüchtete sich in Alkohol, Affären und ihre Malerei. Doch der Scheidungsantrag hatte einen anderen Hintergrund: Kahlo hatte Trotzki ein Haus in Coyoacán geschenkt, in dem sich der Revolutionär vor politischen Gegnern versteckt hielt. Im August 1940 wurde er dort von einem sowjetischen Agenten ermordet, der sich als sein Anhänger ausgegeben hatte. Kahlo, die in Verbindung mit Trotzkis Ermordung gebracht wurde, sollte durch Riveras Scheidungsantrag geschützt werden. Am 8. Dezember 1940 heirateten Frida Kahlo und Diego Rivera schließlich ein zweites Mal.
Der Weg als eigenständige Künstlerin
Frida Kahlo reiste nach Frankreich und besuchte den berühmten Maler André Breton in Paris, der als wichtigster Vertreter des so genannten "Surrealismus" gilt - dies ist eine Bewegung in der Literatur und Kunst, die in ihren Themen und Darstellungen das Unwirkliche, Traumhafte und Unbewusste in den Mittelpunkt rückt. Schon bald zog Kahlo mit Mary Reynolds in eine gemeinsame Wohnung - einer engen Freundin des Künstlers Marcel Duchamp, der ebenfalls ein wichtiger Wegbereiter des Surrealismus war.
Die Künstlerin begegnete weiteren berühmten Malern wie Kandinsky, Picasso und vielen anderen aus dem Kreis der Surrealisten um André Breton, darunter Max Ernst, Paul Éluard, Joan Miró, Yves Tanguy und Wolfgang Paalen. Bei ihrer ersten Ausstellung in Paris verdiente sie so gut wie nichts. Lediglich das Kunstmuseum im Pariser Louvre erwarb ihr Selbstbildnis "The Frame" - immerhin als erstes Bild eines mexikanischen Malers überhaupt.
Frida Kahlo gehörte zu einer Gruppe von 25 Künstlern und Denkern, die vom Ministerium für Erziehung als Gründungsmitglieder des Seminars für mexikanische Kultur ausgewählt wurden. Dieses Ministerium stellte Kahlo auch als Lehrerin an der Schule für Malerei und Skulptur ein - eine Aufgabe, die sie aufgrund ihrer körperlichen Beschwerden nur zehn Jahre ausführen konnte. Außerdem feierte sie nun Erfolge in Boston und New York - ihre Werke wurden in mehreren Galerien aufgenommen und in verschiedenen Kunstausstellungen präsentiert.
Das körperliche Versagen
Ihre Wirbelsäule bereitete Frida Kahlo in den nächsten Jahren immer mehr Schwierigkeiten. Sie ließ schwierige Operationen an ihrem Rücken und am Bein durchführen und trug nun fast dauerhaft medizinische Korsette. Ihre letzten Jahre hielt sie in ihrem Tagebuch von 1944 bis 1954 fest. Trotzdem sie sechs Mal an der Wirbelsäule operiert wurde und ab 1951 im Rollstuhl saß, malte sie immer, wenn es ihr möglich war.
Ab 1952 waren es fast nur noch Stillleben (Bilder, deren Motive "leblose Gegenstände" wie Gefäße oder Obst sind), die ihre Leinwände füllten. 1953, ein Jahr vor ihrem Tod, wurden Kahlos Gemälde zum ersten Mal in einer Einzelausstellung in ihrer Heimat dem Publikum gezeigt. Da ihr Gesundheitszustand sehr schlecht war, musste die Malerin im Bett zu ihrer Eröffnung getragen werden. Am 13. Juli 1954 starb Frida Kahlo. Als offizielle Todesursache wurde Lungenembolie angegeben, Freunde schlossen jedoch auch einen Selbstmord nicht aus. Nach der Weigerung Riveras, ein Untersuchung des toten Körpers durchzuführen, kamen Gerüchte über ihre Todesursache auf.
Kahlo als Vorbild für die Frauenbewegung
Frida Kahlo ertrug ihr ganzes Leben lang Schmerzen, rauchte, trank und erzählte unanständige Witze. Sie schuf mit ihren Bildern etwas völlig Neuartiges - Dinge und Motive, die zu ihrer Zeit alles andere als normal waren. So malte Frida Kahlo farbenfrohe Pflanzen, Tiere, traumähnliche, mystische und religiöse Motive ebenso wie nackte und verwundete Körper, Skelette und Totenköpfe - häufig thematisiert sie in ihren Bildern Geburt und Tod, Sexualität und Gewalt.
Die Künstlerin zog immer wieder Männerkleidung an - genauso betonte sie jedoch ihre Weiblichkeit mit den üppigen Tehuana-Trachten der indigenen Bevölkerung (der "Ureinwohner") Mexikos. Ihren Ehemann, den dickleibigen Maler Diego Rivera, nannte sie zärtlich "Unkenfrosch Nr. 1". Dass dieser ihr nicht treu sein wollte, ließ sie noch mehr leiden - sie flüchtete sich immer häufiger in Alkohol und gönnte sich eigene Liebschaften.
Trotz ihres großen Erfolges stand Frida Kahlo zu Lebzeiten immer wieder im Schatten ihres berühmten Mannes. Im Zuge der neueren Frauenbewegung wurde Kahlo in den 1970er Jahren wiederentdeckt - als Künstlerin, Kämpferin und Liebende wurde sie zum Vorbild vieler Frauenrechtlerinnen. Denn Frida Kahlo war eine starke Frau mit Ecken und Kanten, die ihren eigenen Weg ging und dabei viele Höhen und Tiefen durchlebte. (Quelle: helles-koepfchen.de - Bereich: Wissen, Kunst)