DIE DICKEN DEUTSCHEN: SPITZE BEIM ÜBERGEWICHT
Luxemburg (dpa - Deutsche Presse Agentur) - Als größte EU (Europäische Union)-Nation stehen die Deutschen oft an der Spitze: Keiner zahlt netto so viel in die EU-Kassen ein, niemand erfindet mehr Patente. Doch sie führen auch eine unrühmliche Statistik an: Sie sind einer der Spitzenreiter auf der Waage.
Gleich nach den Briten sind die Deutschen die dicksten Europäer. 59,7 Prozent der Bundesbürger sind zu fett. Diese statistische Wahrheit enthält das gerade erschienene Jahrbuch des Europäischen Statistikamtes Eurostat, das Stärken und Schwächen der 27 EU-Nationen aufdeckt. Auf 656 Seiten zeichnet das Amt ein exaktes Bild der 501 Millionen Europäer.
Grund für das Übergewicht sind eine ungesunde Ernährung und zu wenig Sport. "Fettleibigkeit ist in der EU zu einem gesellschaftlichen Problem geworden: 200 Millionen Erwachsene und 14 Millionen Kinder sind davon betroffen", berichtet die EU-Kommission und steuert mit Aufklärung, Sport- und Ernährungsprogrammen gegen.
Vor allem Europas Männer sind echte "Pfundskerle", während Frauen mehr auf ihre Linie achten. So leben die meisten schlanken Frauen in Österreich, wo nur 20,3 Prozent der Frauen zu dick sind, gefolgt von den Französinnen (21,2 Prozent). Das Statistikamt legt dabei den "Body Mass Index" (Körpermasseindex) zugrunde. Frauen achten generell mehr auf ihre Gesundheit. So greift laut Statistik fast jeder zweite Mann in Europa täglich zur Zigarette - dagegen nur knapp jede dritte Frau. Die Deutschen sind beim Tabakkonsum im Mittelfeld.
Die ungesunde Lebensweise hinterlässt Spuren: Typische Wohlstandskrankheiten sind die häufigste Todesursache. Am meisten Europäer sterben an Krebs (172 auf 100 000 Einwohner), gefolgt von Herzinfarkten und Schlaganfällen. "Bis zu 40 Prozent aller Krebserkrankungen könnten vermieden werden", mahnt die Weltgesundheitsorganisation WTO und empfiehlt weniger Rauchen, Trinken, Gewichtsabnahme und weniger Sonnenbäder.
Dank des medizinischen Fortschritts steigt jedoch die Lebenserwartung - und da haben die Deutschen gute Perspektiven. Ein neugeborener Junge in Deutschland wird im Schnitt 76,7 Jahre alt - das sind 1,3 Jahre mehr als ein Durchschnittseuropäer. Ein neugeborenes Mädchen hat sogar 82,7 Jahre vor sich.
Es gibt nicht eine Abnehmregel für alle
Mainz (dpa) - Die Abnehmweisheit "Friss die Hälfte und treibe Sport" gilt nach dem Rat von Sportmedizinern keineswegs für alle. "Viele Konzepte für Dicke und Unfitte sind falsch, weil sie zu pauschal sind", sagt der Mainzer Sportmediziner Perikles Simon.
Gerade Übergewichtige vollbrächten bereits große körperliche Anstrengungen, nur um den Alltag zu bewältigen. "Wenn jemand tagsüber schon ständig an seiner Leistungsgrenze ist, ob im Job oder bei der Hausarbeit, den kann ich abends nicht noch eine Stunde zum Joggen schicken", erklärt der Wissenschaftler. "Daher sind zu Beginn eines Trainings differenzierte und individuelle Ratschläge vom Experten wichtig." Das betreffe nicht nur die Bewegung, sondern auch die Ernährung.
Sport wird nach der Ansicht von Simon in der Gesundheitsförderung insgesamt noch viel zu wenig eingesetzt. Obwohl unbestritten ist, dass Bewegung in vernünftigen Maßen Krankheiten vorbeugt, fördere die Politik den Gesundheitssport unzureichend, kritisiert er. "Dies gilt vor allem für bestimmte Bevölkerungsgruppen, etwa sozial schwache Familien."
Sport beuge nicht nur Übergewicht vor, sondern helfe auch bei vielen Krankheiten wie beispielsweise Diabetes. Studien zeigten, dass Patienten ihre Medikamentendosis reduzieren konnten, wenn sie unter ärztlicher Anleitung Sport trieben.
Während immer mehr Menschen in Deutschland zu dick seien, könne bereits ein Fünftel der Kinder nicht am normalen Schulsport mitmachen - weil es an Fitness und Koordination mangelt. "Die Kinder bekommen aber vermittelt, sie müssten das können", sagte Simon. Die Folge: Frustration und keine Lust auf Bewegung. (Quelle: Web.de - Gesundheit, Ernährung - 11.9.10)