ARBEITSALLTAG BEREITET PROBLEME MIT DER STIMME

 

Dresden (dpa - Deutsche Presse Agentur) - Stimmbänder im Dauerstress. Der Arbeitsalltag macht viele Deutsche unfreiwillig zu Quasselstrippen. Experten schlagen Alarm. Ohne Rücksicht und Training kann die Stimme dauerhaft Schaden nehmen.

 

Die Belastungen im Arbeitsalltag bereiten den Menschen zunehmend Probleme mit ihrer Stimme. Während vor 100 Jahren nur ein Fünftel der Berufe hohe kommunikative Anforderungen stellte, sind es heute schon zwei Drittel, erklärte der Dresdner Professor Dirk Mürbe. Als Beleg nannte er die Arbeit in Schulen, im Kindergarten oder in einem Call-Center. Auch wenn beim Telefonieren nicht laut gesprochen werde, könne der Dauereinsatz der Stimmbänder gesundheitliche Probleme auslösen. "Die Überlastung der Stimme wird in einem frühen Stadium oft nicht erkannt", sagte Mürbe. Meist gebe ständiges Räuspern einen ersten Hinweis.

 

Mürbe zufolge reagiert der mit Schleimhaut ausgekleidete Kehlkopf bei hoher Belastung mit vermehrter Schleimbildung und Verspannungen. Dadurch müssten sich Betroffene beim Sprechen mehr anstrengen. "Die Folge ist eine permanente Heiserkeit, die für manche die Ausübung des Berufes erschwert oder irgendwann unmöglich macht."

 

Mit frühzeitigem Training ließen sich Defizite beseitigen. In der Arbeitswelt gebe es aber kaum eine Prävention. Mürbe empfiehlt als Stimmhygiene ausreichend Sprechpausen - auch zur mentalen Entspannung. Wenn möglich sollte eine Reduzierung des Lärmpegels am Arbeitsplatz angestrebt werden. "Wer immer gegen hohe Geräuschkulissen ankämpfen muss, redet lauter und strapaziert damit die Stimmbänder mehr."

 

Für Kindergärtnerinnen könnten beispielsweise "Lärmampeln" Abhilfe schaffen: Immer dann, wenn die Kinder zu laut werden, schaltet die Ampel auf Rot und gibt so ein Signal, die Lautstärke beim Spielen zu drosseln. Auch eine vernünftige Sprechtechnik halte die Belastung in Grenzen, sagte Mürbe. Wer sich Gehör verschaffen wolle, müsse nicht unbedingt lauter reden.

 

Entscheidend für die Durchsetzungskraft einer Stimme sei deren Tragfähigkeit, ihr Timbre oder Klang. "Die Stimme entsteht aus dem Zusammenspiel von Atmung, dem Schwingen der Stimmbänder und der Resonanz im Rachenraum. Dieser Raum lässt sich durch besondere Einstellung von Lippen, Mundöffnung, Zunge und Gaumensegel so formen, dass die Stimme besonders tragfähig wird", erklärte der Professor.

 

Mürbe verwies darauf, dass es einen Zusammenhang zwischen Stimmung und Stimme gibt. "Wer verstimmt ist, klingt anders." In einem solchen Fall sei das Schwingungsverhalten der Stimmbänder verändert. Auch die Umwelt beeinflusst. Saubere Luft ist auf jeden Fall besser für die Stimme als "dicke Luft" mit vielen Reizstoffen. Der Staub auf der Opernbühne kann Sängern ordentlich zu schaffen machen.

 

Experten wie Mürbe warnen ferner vor Rauchen und verrauchten Räumen, vor sehr heißen oder eisgekühlten Getränken und "scharfen" Bonbons, deren ätherische Öle die Schleimhäute zusätzlich angreifen. Auch Flüstern stelle oft keine Lösung des Problems dar und könne sogar zu weiteren Einschränkungen führen.

 

Mürbe ist Inhaber von Sachsens einziger ordentlicher Professur zur Diagnostik und Therapie von Erkrankungen und Störungen der Sprache, der Stimme und von kindlichen Hörstörungen (Phoniatrie und Pädaudiologie). Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist auch die Operation und Nachsorge von Patienten mit Cochlear-Implantat genannten Hörprothesen. Am Dresdner Universitätsklinikum ist das Sächsische Cochlear Implant Centrum (SCIC) angesiedelt. Als Stimmen-Experte betreut Mürbe, der neben Medizin auch Gesang studierte, professionelle Sänger und leitet zudem das Studio für Stimmforschung an der Dresdner Musikhochschule. (Quelle: Web.de - Gesundheit, Krankheiten - 11.10.10)

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