Reise in den menschlichen Körper
von Björn Pawlak
Mit unserer Stimme können wir Informationen in Form von Sprache übermitteln - aber auch Singen, Schreien, Weinen oder Lachen ist nicht ohne die Stimme möglich. Doch was genau ist eigentlich die Stimme, und wie funktioniert sie? Ein Blick in den menschlichen Körper wird verständlich machen, warum wir all die unterschiedlichen Klänge und Töne erzeugen können, aus denen unsere gesprochene Sprache sich zusammensetzt.
Die menschliche Stimme ist eigentlich ein Luftstrom, der in der Lunge erzeugt und dann auf dem Weg durch Hals und Mund klanglich geformt wird. Dieser Luftstrom streift die Stimmlippen im Inneren des Kehlkopfs und versetzt diese in Schwingungen - dadurch entsteht der Grundton der menschlichen Stimme.
Zum gesamten menschlichen Stimmapparat gehören neben der Lunge auch die Zwerchfellmuskulatur, die Luftröhre, der Kehlkopf mit der Stimmritze sowie Rachen, Mundhöhle und Nasenraum.
Die Hohlräume oberhalb der Stimmlippen werden "Vokaltrakt" oder "Ansatzrohr" genannt - hier wird der Grundton der menschlichen Stimme verstärkt und klanglich geformt. Bei der Erzeugung der einzelnen Laute sind mehr als hundert Muskeln beteiligt, deren Bewegungen aufeinander abgestimmt werden müssen.
Nur dank der Atmung können wir sprechen
Zuerst muss Luft eingeatmet werden - der Ton entsteht, wenn diese Luft wieder ausgeatmet wird. Dann fließt die Atemluft gewissermaßen über den Kehlkopf und entweicht durch die Stimmritze ("Glottis"), die von den beiden Stimmlippen gebildet wird.
Ein wichtiges Organ für die Stimmerzeugung ist also die Lunge, deren Hauptaufgabe darin besteht, das Blut mit Sauerstoff zu versorgen. Mit der Zwerchfellmuskulatur kann in der Lunge ein Unterdruck erzeugt werden, der dazu führt, dass Atemluft in die Lunge einströmt (Bauchatmung). Diese Luft wird dann zum Träger für die Stimme.
Bei der Erzeugung von stimmhaften Lauten sind die Stimmlippen ein Widerstand, der beim Ausatmen durch einen sich aufbauenden Überdruck "aufgesprengt" werden muss. Wenn dies geschieht, werden die Stimmlippen in Schwingungen versetzt. Anschließend schließen sie sich nach Abbau des Überdrucks wieder. Beim Sprechen wird dieser Vorgang unablässig wiederholt - die Stimmlippen können dabei mehrere hundert Mal pro Sekunde zusammen schlagen.
Unsere Sprache besteht zum einen aus stimmhaften Lauten: Dazu gehören alle Vokale - also "a", "e", "i", "o", "u" - und einige Konsonanten wie "m" zum Beispiel und "n". Daneben besteht unsere Sprache auch aus stimmlosen Lauten - bei diesen ist die Stimmritze zu keinem Zeitpunkt verschlossen: Dazu gehören einige Konsonanten wie zum Beispiel das "s" im Wort "Fass". Nur beim Flüstern sind alle Töne stimmlos. Die Stimmlippen sind dann fast ganz geschlossen und schwingen nicht - die Luft entströmt beim Flüstern durch eine kleine Öffnung am knorpeligen Ende der Stimmlippen, das "Flüsterdreieck" genannt wird.
Durch den Rachen strömt die Luft dann weiter in Mundhöhle und Nasenraum, durch Mund und Nase verlässt sie den Körper wieder. Fast alle Töne der gesprochenen Sprache entstehen auf die eben beschriebene Art und Weise - nur bei den mit Zunge und Lippen geformten Schnalz- und Klicklauten ist die Atmung nicht beteiligt.
Der Kehlkopf: Fabrik für die Töne
Der Kehlkopf sitzt an der Schnittstelle zwischen Luftröhre und Speiseröhre - er besitzt einen Verschlussmechanismus, der verhindert, dass Fremdkörper in die Atemwege und in die Lunge eindringen können.
In der Entstehungsgeschichte der Gattung Mensch (der "Phylogenese") waren die Stimmlippen wahrscheinlich zunächst in ihrer Funktion darauf beschränkt, diesen Verschlussmechanismus zu gewährleisten. Im Laufe der Zeit sollte jedoch eine weitere Aufgabe hinzukommen - der Mensch entwickelte sich zu einem sprechenden Wesen weiter.
Bei Neugeborenen steht der Kehlkopf im Hals noch sehr weit oben - Säuglinge können deshalb gleichzeitig atmen und trinken, ohne sich zu verschlucken. Ab dem sechsten Lebensmonat wandert der Kehlkopf weiter nach unten - oberhalb des Kehlkopfs entsteht der Raum, der notwendig ist, um den weiter unten entstandenen Klang zur Sprache weiterzuverarbeiten.
Der auf dem Kehlkopf sitzende Kehldeckel ("Epiglottis") verhindert bei der Nahrungsaufnahme, dass der Speisebrei in die unteren Luftwege eindringt. Beim durch Druck mit der Zunge gegen den hinteren Gaumen ausgelösten Schluckreflex klappt der Kehldeckel nach innen und verschließt dadurch den Eingang des Kehlkopfs. Auch die Stimme wird durch die Lage des Kehldeckels beeinflusst - je weiter er nach hinten abgesenkt wird, desto dunkler sind die beim Sprechen erzeugten Töne. Der Verschluss des Kehlkopfs durch das Anstauen von Luft ermöglicht außerdem, dass eingedrungene Fremdkörper oder auch Schleim aus der Lunge abgehustet werden.
Die Stimmlippen: aufgehängt zwischen Knorpeln
Die Bewegungen des Kehlkopfs werden durch kleine Muskeln ermöglicht - durch kontrollierte An- und Entspannung werden die gelenkig miteinander verbundenen Knorpel bewegt, die durch Bänder zusammengehalten werden. Diese Knorpel heißen "Ringknorpel", "Schildknorpel" und "Stellknorpel". Der Kehlkopf ist fast überall mit Schleimhaut bedeckt. Die Bewegungen im Kehlkopf werden größtenteils vom Gehirn gesteuert - Äste des Hirnnervs namens "Nervus vagus" sind zu diesem Zweck mit dem Kehlkopf verbunden.
Der Ringknorpel befindet sich im Kehlkopf ganz unten, direkt über der Luftröhre - auf ihm sitzen Schildknorpel und Stellknorpel. Der Schildknorpel besteht aus zwei Platten, die in der Mitte zusammengewachsen sind. Besonders beim Mann kann man ihn als "Adamsapfel" deutlich auch von außen sehen.
Der Stellknorpel ist doppelt vorhanden - die beiden Stellknorpel sitzen am hinteren Rand des Ringknorpels. Zwischen der Innenseite der Schildknorpelplatte und den Stellknorpeln sind die Stimmlippen aufgespannt. Mehrere Muskeln ermöglichen die Beweglichkeit der Stellknorpel und damit der Stimmlippen.
Die Stimmlippen schwingen bei der Erzeugung von Tönen
Die Stimmlippen selbst (auch "Stimmbänder" genannt) sind bei Frauen zwischen 1,7 und 2 Zentimeter, bei Männern zwischen 2 und 2,4 Zentimeter lang. Die Muskeln, durch die sich die Stimmlippen bewegen lassen, sind teils direkt mit ihnen, teils mit den Knorpeln des Kehlkopfs verwachsen. Nicht alle Muskeln im Kehlkopf dienen der Bewegung der Knorpel und der Stimmlippen gegeneinander.
Die "äußeren Muskeln" sind für die Stabilität und den Zusammenhalt des Kehlkopfes insgesamt verantwortlich, während die "inneren Muskeln" die Bewegungen der Stimmlippen kontrollieren. Durch das Zusammenspiel der äußeren Muskeln kann der Kehlkopf trotz aller Kopf- und Halsbewegungen funktionieren. Bei den inneren Muskeln unterscheidet man "Glottisöffner" (sie öffnen die Stimmlippen), "Glottisschließer" (sie verschließen die Stimmlippen) und "Stimmlippenspanner" (sie spannen die Stimmlippen wie die Sehne bei einem Bogen).
Je nach Höhe und Lautstärke der Töne sind die Stimmlippen verschieden stark gespannt. Um lauter zu sprechen, muss die ausgeatmete Luft mit mehr Druck aus der Lunge gegen die Stimmlippen gepresst werden. Bei Erwachsenen sind die Stimmlippen in der Regel dicker als bei Kindern, deswegen klingen ihre Stimmen auch tiefer.
Bei tiefen Tönen ist die Stimmritze leicht geöffnet, die Stimmlippen sind entspannt und schwingen mit weiten und eher langsamen Bewegungen. Je höher der Ton wird, desto gespannter und gestreckter sind die Stimmlippen - bei den ganzen hohen Tönen ist die Stimmritze nur noch ein kleiner Spalt, der vordere Bereich der Stimmlippen schwingt dann sehr schnell.
Das Ansatzrohr: aus Tönen wird Sprache
Mit dem Kehlkopf alleine könnten wir zwar Töne von uns geben, aber kaum verständlich sprechen. Erst im so genannten Ansatzrohr (auch Vokaltrakt genannt) werden die Klänge, die zuvor von den Stimmlippen erzeugt wurden, verstärkt und geformt. Zum Ansatzrohr gehören Mund-, Nasen- und Rachenraum.
Die von den Stimmlippen erzeugten Grundtöne nennt man auch "primäre Kehlkopftöne". Die primären Kehlkopftöne sind das Ausgangsmaterial für die Veränderungen im Ansatzrohr, die man auch "Artikulation" nennt (Der Begriff kommt vom lateinischen Verb "articulare", das "deutlich aussprechen" bedeutet).
Durch Bewegungen mit Lippen, Zunge und Zähnen wird das Ansatzrohr größer oder kleiner gemacht. Wenn wir zum Beispiel ein "i" sprechen, dann liegen die Zahnreihen viel näher beieinander als etwa beim "a" - durch den größeren beziehungsweise kleineren Raum, aber natürlich auch durch die genaue Position aller Teile des Ansatzrohrs, werden die Grundtöne zu den einzelnen klanglichen Bausteinen unserer gesprochenen Sprache umgewandelt. Man spricht auch von den "Resonanzen", die das unterschiedlich geformte Ansatzrohr jeweils aufweist. ("Resonanz" ist ein Begriff aus der lateinischen Sprache und bedeutet "Widerhall".)
Einordnung der Laute nach Ort und Entstehungsweise
Je nach Entstehungsort und Entstehungsweise werden die einzelnen sprachlichen Laute benannt. Wie schon erwähnt, unterscheidet man stimmlose und stimmhafte Laute. Nach der Art der Entstehung werden weiterhin "Plosive" ("Verschlusslaute"), "Nasale" und "Frikative" ("Reibelaute") unterschieden.
Bei den Verschlusslauten entweicht der Schallfluss plötzlich, nachdem er zuvor durch die Lippen gebremst wurde. Nasale sind solche Töne, bei denen der Schallfluss auch durch die Nase entweicht. Bei den Reibelauten wird irgendeine Stelle im Ansatzrohr so verengt, dass der Schallfluss beim Entweichen Reibelaute erzeugt.
Die einzelnen Bausteine des Ansatzrohres sind folgende: Lippen, Zähne, Zahndamm (der Bereich hinter den oberen Schneidezähnen), Zunge (bei Beschreibung der Artikulation unterscheidet man Zungenwurzel, Zungenrücken und Zungenspitze), Kehldeckel, Gaumen (man unterscheidet harten und weichen Gaumen) und Zäpfchen. Das hintere Ende des Gaumens - auch "Gaumensegel" genannt - kann die Öffnung vom Rachen zur Nase verschließen, so dass der Schallfluss nur noch durch den Mund entweicht.
Alle Bausteine des Ansatzrohres haben lateinische Namen - diese setzt man voraus, wenn man den Entstehungsort der Artikulation hinsichtlich einzelner Töne beschreibt. Mit den Lippen artikulierte Töne heißen zum Beispiel "labial" (abgeleitet von "labium", dem lateinischen Wort für Lippe). Weiterhin nennt man den Artikulationsort "dental" (Zähne), "apikal" (Zungenspitze), "dorsal" (Zungenrücken) "alveolar" (Zahndamm), "palatal" (harter Gaumen), "velar" (weicher Gaumen), "uvular" (Zäpfchen), "pharyngal" (Rachen), "epiglottal" (Kehldeckel) oder "glottal" (Stimmritze). (Quelle: helles-koepfchen.de - Bereich: Wissen, Menschen und Natur)