WEIßER STOCK GIBT SELBSTVERTRAUEN

 

Sehbehinderte Juliane Theisen seit 1995 blind – Kritik an Ampelschaltung


An der Kreuzung an der St.-Marien-Kirche gibt es  K E I N  Vibrationssignal. Sehbehinderte können so  N I C H T  erkennen, wann die Kreuzung auf Grün umspringt.

von Anja Biewald


Friesoythe - Verlässt Juliane Theisen ihr Haus, ist der weiße Stock immer ihr Begleiter. Er verrät ihr, wo sich ein Hindernis auftut, wo eine Treppe ist oder wo es schlichtweg nicht mehr weitergeht. Der weiße Stock ist der verlängerte Arm, er schützt die 74-Jährige und gibt ihr das Selbstvertrauen, sich forschen Schrittes durchs Leben zu bewegen.


Netzhautablösung

 

Seit 1995 ist Juliane Theisen fast blind. Damals hatte sie eine Netzhautablösung. Seither kann sie nur noch Umrisse und Schatten sehen, oft auch gar nichts – je nach Lichtverhältnissen. Ist draußen strahlender Sonnenschein, sieht die Friesoytherin besonders schlecht. Elf Jahre lang hat ihr ihr Blindenführhund Zerro geholfen, sich im Alltag zurecht zu finden. Der Schäferhund hat oft den weißen Stock ersetzt und Juliane Theisen sicher durch Friesoythe gelotst. Doch Zerro ist vor einigen Monaten gestorben und seitdem ist Juliane Theisen wieder mit ihrem Stock unterwegs – und dabei fällt ihr auf, dass Friesoythe schon einmal blindenfreundlicher war.


Gefährliche Kreuzung

 

„Es gibt jetzt weniger Ampeln mit Vibrationssignal“, ist ihr aufgefallen. Vor allem an der Kreuzung Moorstraße/Kirchstraße/Lange Straße und Mühlenstraße fehle dieses Vibrationssignal, das einem Blinden oder Sehbehinderten signalisiere, dass die Ampel jetzt grün zeigt. „Dort habe ich 

K E I N E  Chance, die Straßen zu überqueren.“ Läuft sie die Kirchstraße entlang und will über die Mühlenstraße hinweg, fragt sie manchmal Passanten um Hilfe. Ist niemand in der Nähe, geht sie ein Stück weit die Mühlenstraße hinunter und versucht dort, die Straße zu überqueren – in der Hoffnung, dass ihr Gehör sie  N I C H T  trügt und wirklich kein Auto kommt. „Das geht so G A R  N I C H T  “, sagt Juliane Theisen. Sie kann  N I C H T  verstehen, warum man es Blinden und Sehbehinderten so schwer macht, sich im öffentlichen Raum zurecht zu finden. An diesem Sonnabend ist weltweit der „Tag des weißen Stocks“, an dem Blinde und Sehbehinderte auf ihr Schicksal aufmerksam machen – Juliane Theisen nutzt diese Gelegenheit.

Auch für mehr Reflektorstreifen wäre sie dankbar – beispielsweise auf Treppen wie an der St.-Marien-Kirche oder in Geschäften.

In ihrem Zuhause findet sich Juliane Theisen bestens zurecht. Ordnung ist ihr wichtig – weil sie es gerne so hat und weil Unordnung für sie zur Orientierungslosigkeit führen würde. Gegenstände müssen immer am gleichen Platz abgelegt werden. Kleidung wird farblich zueinander passend sortiert, in der Küche weiß sie genau, wo was steht. 

 

Als sie blind wurde, musste sich die Friesoytherin neu organisieren. Das war schwer für sie, trotzdem ist sie froh, dass sie früher sehen konnte: „Ich habe alles gesehen – Blumen, die Berge, Vögel, die Umwelt eben. Ein Geburtsblinder kann sich davon  N I C H T S  vorstellen.“ (Quelle: Nordwest Zeitung - 15.10.11)

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