von Björn Pawlak
Mit einem Fahrrad kann man bei gleichem körperlichem Energieverbrauch viel größere Strecken zurücklegen als zu Fuß. Durch eine Gangschaltung ist es möglich, die Funktionsweise an die Beschaffenheit der Straße oder des Weges anzupassen. Die Geschichte des Fahrrads ist etwa 200 Jahre alt - zunächst entwickelte man das "Laufrad", die Vorstufe des Fahrrads. Heute ist das Fahrrad die am häufigsten gebaute und verkaufte Maschine der Welt
Die Bezeichnungen "Fahrrad", "Radfahrer" und "Fahrradfahren" entstanden erst zum Ende des 19. Jahrhunderts. Zuvor war es durch einige Tüftelei gelungen, ein System zu entwickeln, bei dem die Kraft über die Pedale auf die beiden Räder des Fahrrads übertragen wird. Das Prinzip des Fahrrads ist heute noch das gleiche wie damals, auch wenn die Technik immer weiter ausgefeilt wurde.
Als Erfinder des Laufrads gilt ein Deutscher namens Freiherr Karl Friedrich von Drais - seine lenkbare Laufmaschine aus dem Jahr 1817 hieß "Draisine". Die ersten Laufräder waren aus Holz, sie fuhren auf ebener Fläche kaum schneller als 15 Stundenkilometer.
1869 kam ein anderer Deutscher namens Philipp Moritz Fischer auf die Idee, Pedale an der Vorderachse des Laufrads anzubringen. Um die Höchstgeschwindigkeit auf bis zu 40 Stundenkilometer zu steigern, entwickelte man zunächst die so genannten "Hochräder" - das sind Fahrräder mit besonders großen Vorderrädern (Durchmesser von bis zu anderthalb Metern). Das Fahren mit dem Hochrad war allerdings eine recht wacklige Angelegenheit.
Später trennte man die Lenkung und den Antrieb durch die "Tretkurbel", das "Antriebskettenrad", die Kette und den an der Hinterachse befestigten "Zahnkranz" - das Vorderrad diente nun zur Lenkung, während die Kraftübertragung auf die Straße über das Hinterrad erfolgte. Als Erfinder des Kettenantriebs gilt der Franzose André Guilmet.
Frühe Fahrradproduktion in Deutschland und Frankreich
Karl Friedrich von Drais kam zuerst auf die Idee, dass zwei Räder bei einem Fortbewegungsmittel ausreichen könnten. Das Laufrad konnte über das Vorderrad gelenkt werden, so wie auch beim späteren Fahrrad. Der Fahrer des Laufrads ("Draisinenreiter") saß auf einem mit Leder gepolstertem Holzgestell und musste sich mit den Füßen abstoßen.
Die Räder waren noch überwiegend aus Holz und ohne Luftreifen. Bei der Fortbewegung mit dem Laufrad ergab sich die Schwierigkeit, gleichzeitig mit den Füßen für den Antrieb zu sorgen und die Balance zu halten. Hinzu kam, dass viele Wege und Straßen damals viel weniger befestigt waren als heute. Insofern setzte sich das Laufrad als Fortbewegungsmittel nur bedingt durch, auch wenn es Nachahmer in ganz Europa fand.
Erst ein halbes Jahrhundert später entwickelte sich das Laufrad zum echten Fahrrad weiter. Das 19. Jahrhundert war in Europa überhaupt eine Zeit der Erfindungen, man denke zum Beispiel an die Dampfmaschine, die Eisenbahn oder das Telefon. Die entscheidende Neuerung beim Laufrad war die Befestigung von Tretkurbeln und Pedalen am Vorderrad. In Frankreich entstand die erste serienmäßige Produktion dieser "Vélocipède" oder kurz "Velo" genannten frühen Form des Fahrrads - in der ersten Fahrradfabrik in Paris wurden für einige Jahre bis zu 200 Fahrräder pro Tag hergestellt.
In ganz Europa verlangte man nach den Velos, Fahrradrennen wurden äußerst beliebt. 1870 brach die französische Veloproduktion über Nacht ein, als die preußischen Truppen im Deutsch-Französischen Krieg in Paris einmarschierten. Danach wurde England zur Hauptproduktionsstätte für die Velos.
England: Entwicklung des "Hochrads" und des "Niederrads"
In England überlegte man, wie man die Velos noch schneller machen könnte. Durch die direkte Befestigung der Tretkurbeln und der Pedale am Vorderrad musste man logischerweise für eine Radumdrehung einmal mit den Pedalen im Kreis herum treten. Bei einem größeren Umfang des Vorderrads erreicht man natürlich mehr zurückgelegte Strecke pro Pedaltritt, auch wenn der Widerstand ein wenig größer wird.
Die Rechnung ging auf jeden Fall auf - das "Hochrad" erreichte Geschwindigkeiten von über 40 Stundenkilometern. Um das Aufsteigen auf das Rad zu erleichtern, baute man die Hinterräder noch kleiner, als sie sowieso schon waren. Beim Hochradfahren bedarf es akrobatischen Geschicks - Stürze vom Hochrad waren keine Seltenheit und führten wegen der großen Fallhöhe häufig auch zu schwereren Verletzungen.
Das "Niederrad" ist die Vorstufe des modernen Fahrrads - mithilfe einer Fahrradkette und der Zahnräder wurde die Kraft von den Tretkurbeln auf das Hinterrad übertragen. Durch die Trennung von Antrieb und Lenkung ließ sich das Rad sehr viel besser kontrollieren, die Sitzposition lag wieder zwischen Vorder- und Hinterrad. Das Niederrad taugte als erstes Fahrrad zum Massenverkehrsmittel. Die Niederräder waren den Hochrädern schließlich auch was die Geschwindigkeit angeht überlegen - dabei spielt das mechanische "Prinzip der Übersetzung von Kraft" und der Einsatz von verschieden großen Zahnrädern an Tretkurbel und Radachse eine Rolle (dem entspricht die Gangschaltung).
Kettenantrieb und andere technische Neuerungen
Als Erfinder des Fahrrads mit Kettenantrieb gilt der Franzose André Guilmet. In England entwickelte John Kemp Starley das sehr verbreitete Modell "Rover" (das bedeutet auf Deutsch "Wanderer") - die Vorderradgröße war wieder deutlich geschrumpft, das Aussehen dem heutigen Fahrrad schon recht ähnlich. 1888 entwickelte der Ire John Boyd Dunlop den mit Luft gefüllten Reifen aus Kautschuk, der sich anschließend auch in der Fahrradindustrie durchsetzte (zuvor wurden die Räder mit Eisen oder Kautschuk bereift).
Das Baumaterial für den Rahmen bestand nun längst nicht mehr aus Holz, sondern aus Metallrohren - die sich durchsetzende Rahmenform wurde aufgrund ihrer Form als "Diamantrahmen" bezeichnet. Seit 1875 wurden die Fahrräder bereits mit einer Beleuchtung bestückt - zunächst in Form einer Ölfunzel. Nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde eine Rücktrittsbremse - zuerst 1903 von Ernst Sachs in Deutschland unter dem Namen "Torpedo" auf den Markt gebracht - serienmäßig eingebaut.
Weitere technische Neuerungen waren die Federung des Sattels und ein Mechanismus, der verhinderte, dass sich die Tretkurbeln und Pedale beim Rollen mitbewegen müssen ("Freilauf"). Außerdem wurde durch die Erfindung von Stahlspeichen mehr Stabilität für das Fahrrad gewährleistet.
Die Verbreitung des Fahrrads
Die Weiterentwicklung des Fahrrads passte zum Trend der Industrialisierung - bald wurde es zum unverzichtbaren Transportmittel für die arbeitenden Massen. Die Arbeiter pendelten mit dem Rad zwischen Fabrik und ihren Behausungen. Viele waren außerdem froh, mit dem Fahrrad Ausflüge an den Stadtrand und in die Natur machen zu können.
Fahrradliebhaber gab es allerdings vor allem in den gehobenen Gesellschaftsschichten. Dort wurden "Fahrradclubs" gegründet, zu denen man keinem Arbeiter je Zutritt gewährt hätte. Die Frauen mussten für die Gleichberechtigung beim Radfahren zunächst kämpfen, denn Frauen auf dem Fahrrad galten noch für Jahrzehnte als "unweiblich".
Ein neuer Berufszweig - besonders in den USA - entstand mit den "Fahrradkurieren". Damals waren viele private Haushalte noch ohne Telefonanschluss, so dass man Fahrradkuriere auch zur Übermittlung von Nachrichten einsetzte - vorwiegend in Form von "Telegrammen". Neben solchen Benachrichtigungen transportierten die Fahrradkuriere natürlich auch alle möglichen Waren von A nach B.
Fahrräder heute: Anspruchsvolle Technik und neue Werkstoffe
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Fahrradtypen, deren unterschiedliche Anforderungen zum Einsatz neuer Werkstoffe geführt haben. Die Technik der Fahrräder ist zwar im Prinzip einigermaßen einfach, in der Umsetzung jedoch beliebig anspruchsvoll.
Kein Fahrrad wird heutzutage ohne Gangschaltung gebaut - durch verschieden große "Übersetzungsverhältnisse" der Kette auf die "Ritzeln" genannten verschieden großen Zahnräder am Hinterrad kann die Beinkraft sowohl bergauf als auch bergab optimal zur Wirkung gebracht werden. Die erste Kettenschaltung mit mehreren Ritzeln am Hinterrad wurde im Jahr 1927 gebaut.
In den 1970er Jahren ging man dazu über, den dadurch sehr viel leichteren Fahrradrahmen aus Aluminium zusammenzuschweißen. Auch danach war man auf der Suche nach immer leichteren Materialien - heute gibt es Rennräder, die nur noch wenige Kilogramm wiegen. (Quelle: helles-koepfchen.de – Bereich: Wissen, Geschichte und Kultur)