UNWETTER ALS HOBBY - STURMJÄGER IM ERZGEBIRGE

 

Freiberg/Sehmatal (dpa - Deutsche Presse Agentur) - Vor einem Jahr hat er einmal beobachtet, wie viele Blitze in den mächtigen Fichtelberg einschlugen. Michel Oelschlägel befand sich damals, am 2. August 2009, auf einer Anhöhe zwischen Sehma und Schlettau im südlichen Sachsen.

 

"Rasch kam das Gewitter näher - und damit auch die kräftigen Blitze", protokollierte er später. Andere hätten das Weite gesucht, Michel Oelschlägel drückte auf den Auslöser. Es ist nicht das einzige Gewitter, das der heute 23-Jährige mit Text und Fotos im Internet dokumentiert. Oelschlägel gehört zu den "Sturmjägern" im Erzgebirge.

 

Der etwas martialisch klingende Begriff kommt vom englischen "storm chasing". So heißt die Bezeichnung für das Hobby von Menschen, die ausrücken, sobald sie von herannahenden Unwettern erfahren. Dann versuchen sie, möglichst dicht heranzukommen, um alles gut im Bild festzuhalten.

 

Lebensmüde sind sie nicht. "Ich bin immer im Auto unterwegs", sagt Michel Oelschlägel. "Man muss Respekt vorm Wetter haben. Ich bin nicht leichtsinnig." Der Freiberger Student macht auch nicht den Eindruck, unkalkulierbare Risiken einzugehen. Selbst Hagelschäden fürs Auto muss es ja nicht unbedingt geben. Auch deshalb suchen Sturmjäger bei Ausübung ihres Hobbys gern den Schutz eines Tankstellendachs.

 

"Gerade Hagel ist ziemlich heimtückisch", sagt Oelschlägel. Er beschäftigt sich schon seit Jahren mit Meteorologie. Wettervorhersagen im Fernsehen braucht er längst nicht mehr, weil er die Daten schon vorher ausgewertet hat. Freunde und Bekannte fragen denn auch gern mal nach, wie das Wetter am nächsten Wochenende wird.

 

Am 31. Mai 2008 waren Oelschlägel und der 25-jährige Pressefotograf Bernd März aus Sehmatal zusammen im Erzgebirge unterwegs. Sie beobachteten bis zu sechs Zentimeter große Hagelkörner, Schlammlawinen und Überschwemmungen.

 

An diesem Tag wurde das Erzgebirge von einer "Superzelle" heimgesucht - ein Fachwort für besonders heftige, rotierende und langlebige Gewitter. Als Mitglieder des Vereins Skywarn in Deutschland leiten die Sturmjäger örtliche Hagelschauer, heftige Stürme oder besonders starke Niederschläge weiter. Die Informationen gehen zentral an Wetterdienste, die die Daten in ihre Analysen und aktuellen Vorhersagen einfließen lassen können.

 

Nach Angaben von Skywarn-Chef Sven Lüke sind Unwetter in Sachsen durch die Arbeit der Sturmjäger ziemlich gut erfasst. Bundesweit sind knapp 200 ehrenamtliche Wetterbeobachter - auch "Spotter" genannt - in dem Verein organisiert. "Vor allem in Mecklenburg-Vorpommern ist unser Spotternetzwerk noch sehr dünn", bedauert Lüke. Auch in Teilen Nordniedersachsens, in Südbrandenburg und in ländlichen Gebieten in Baden-Württemberg und Bayern gebe es vergleichsweise wenige Skywarner.

 

Aber alles ist relativ. "Zur optimalen Abdeckung und Erfassung jedes Gewitters müsste eigentlich in jedem Ort mindestens ein Mitglied vorhanden sein", findet Lüke - ein "eher langfristiges Ziel" des Vereins. Michel Oelschlägel erstellt gerade die erste "Superzellendatenbank" in Sachsen.

 

Gewitter faszinieren ihn, seit er ein Kind ist. "Das ist was fürs Auge. Auch wenn es sich eigentlich nur um Wasserdampf handelt." Gerade steht der Student der Angewandten Naturwissenschaft kurz vor seinem Diplomabschluss. Dabei geht es überhaupt nicht ums Wetter. Eines weiß der Sturmjäger sicher: Dass er weder Meteorologe noch Fotograf wird. "Das soll mein Hobby bleiben." (Quelle: Web.de - Lifestyle, Leben - 7.8.10)

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